Samstag, 20. Juli 2013

Filmkritik: Gangs of New York (2002)

Im Dezember bringt Martin Scorsese The Wolf of Wall Street in die Kinos, bei dem zum fünften Mal Leonardo DiCaprio die Hauptrolle in einem Film des berühmten Regisseurs übernehmen wird. Erstmals arbeiteten die beiden in dem Historienfilm Gangs of New York zusammen, den ich mir heute einmal näher angucken möchte.

Leonardo DiCaprio (2002)
New York, 1846. Das ärmliche Viertel Five Points wird von verfeindeten Gangs beherrscht, während die Polizei hier nur wenig Macht hat. Eines Tages kommt es auf dem zentralen Platz des Viertels zu einer Auseinandersetzung zwischen den fremdenfeindlichen Natives und den vor allem aus irischen Einwanderern zusammengesetzten Dead Rabbits. Am Ende der blutigen Schlacht wird der Anführer der Dead Rabbits, Priest Vallon (Liam Neeson), vom Anführer der Natives, William "The Butcher" Cutting (Daniel Day-Lewis) getötet, wodurch Cutting die Macht über das Viertel erlangt. Vallons Sohn Amsterdam wird infolge des Todes seines Vaters in eine Besserungsanstalt auf Blackwell's Island gebracht, wo er die nächsten 16 Jahre verbringt. Endlich wieder auf freiem Fuß, will Amsterdam (Leonardo DiCaprio) den Tod seines Vaters rächen. Doch anstatt ihn aus einem Hinterhalt zu töten, beschließt Amsterdam, zuerst das Vertrauen des Butchers zu gewinnen...

Bei der Oscar-Verleihung 2003 war Gangs of New York in zehn Kategorien nominiert, doch gewann schließlich keine einzige der begehrten Trophäen. Tatsächlich Martin Scorseses 18. Spielfilm kein Meisterwerk geworden. So wirkt die Inszenierung seltsam uneinheitlich: Während einige Szenen, wie die Schlacht zu Beginn des Films, durch Zeitlupenaufnahmen und eine moderne Musik stark stilisiert sind, wird sich für die meiste Zeit des Films dann doch für einen eher naturalistischen Stil entschieden. Auch die Geschichte wirkt stellenweise etwas unausgegoren. Während eigentlich der Konflikt zwischen Amsterdam und Cutting im Mittelpunkt stehen sollte, verliert sich der Film immer wieder in Nebenschauplätzen, die für die Geschichte eigentlich nicht besonders wichtig sind. Schließlich ist auch die Filmmusik von Howard Shore eher austauschbar und das im Abspann zu hörende Titellied von U2 sogar ausgesprochen unpassend.

Daniel Day-Lewis (2008)
Dennoch ist Gangs of New York alles andere als ein schlechter Film, denn trotz seiner Laufzeit von rund 160 Minuten wird der Historienepos zu keinem Zeitpunkt langweilig. Dies liegt unter anderem an den herausragenden Schauspielern. Vor allem Daniel Day-Lewis verkörpert den Butcher mit einer faszinierenden Mischung aus Aggressivität und Charisma, die ungeheuer fesselnd ist. So wird jede Szene, in der diese Figur auftaucht, automatisch zu einem eindrücklichen Erlebnis. Leonardo DiCaprio verblasst da im Vergleich fast ein wenig, legt aber dennoch eine überzeugende Leistung ab, vor allem wenn man bedenkt, dass er zu diesem Zeitpunkt noch vor allem als Schönling wahrgenommen wurde und nicht als ernstzunehmender Charakterdarsteller. Aber auch die vielen Nebenrollen sind perfekt besetzt. Cameron Diaz, John C. Reilly, Jim Broadbent, Gary Lewis und Brendan Gleeson schaffen es, ihre Figuren glaubwürdig und charismatisch zu verkörpern.

Wie es sich für einen Historienfilm gehört, ist auch die Optik ein deutlicher Pluspunkt. Das riesige in den Cinecittà-Studios in Rom errichtete Set, das Szenenbild und die Kostüme sind ausgesprochen gelungen und werden durch Kameramann Michael Ballhaus in wunderschönen Bildern eingefangen. Auch der für den Regisseur typische häufige Einsatz von langen Kamerafahrten ist hier hervorzuheben, der dem Film eine besondere Sogwirkung verleiht.

Insgesamt ist Gangs of New York daher zwar kein perfekter, aber dennoch ein sehr ansehnlicher und unterhaltsamer Historienfilm geworden. Wer sich für das Genre erwärmen kann und bei schönen Bildern und tollen Schauspielern auch mal über das eine oder andere Manko hinwegsehen kann, sollte hier auf jeden Fall einen Blick riskieren.

Hinweis:
Wer sich den Film auf BluRay zulegen möchte, sollte auf jeden Fall zur Remastered Deluxe-Edition greifen, da diese ein deutlich besseres Bild besitzt als die ursprüngliche Veröffentlichung.


Urheber des Fotos von Leonardo DiCaprio ist Georges Biard. Es steht unter der Creative-Commons-Lizenz Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 3.0 Unported (CC BY-SA 3.0).
Urheber des Fotos von Daniel Day-Lewis ist Siebbi. Es steht unter der Creative-Commons-Lizenz Namensnennung 3.0 Unported (CC BY 3.0).

Donnerstag, 18. Juli 2013

Kurzkritiken Juli 2013

Heute gibt es wieder einmal vier Kurzkritiken zu Filmen, die ich in den letzten Wochen gesehen habe. Dieses Mal ist es eine bunte Mischung geworden von Dokumentarfilm bis Wuxia.

Gandhi (1982)

Ben Kingsley (1983)
Der junge Anwalt Mohandas Gandhi reist nach Südafrika und erlebt dort am eigenen Leib die Folgen der Apartheid. Er beginnt, sich für die Rechte der Inder in dem Land einzusetzen und entwickelt dabei das Konzept des gewaltfreien Widerstandes. Als Gandhi nach Indien zurückreist, versucht er mit seiner Methode das noch von den Briten geführte Land in die Unabhängigkeit zu führen... 

Ben Kingsley spielt hier die Rolle seines Lebens, er verkörpert Gandhi mit so viel Charisma, das es eine wahre Freude ist, ihm dabei zuzusehen. Aber auch die anderen Darsteller sind grandios, während es Regisseur Richard Attenborough problemlos schafft, den Film bei drei Stunden Laufzeit zu keinem Punkt langweilig werden zu lassen. Spannend, berührend, faszinierend: Ein toller Film.


Im Bazar der Geschlechter (2010)

Interessante Dokumentation über das Phänomen der Zeitehe im Iran. Diese Form der Heirat kann auf einige Jahre oder sogar auf nur einige Stunden befristet werden. Auf der einen Seite eine Möglichkeit für junge Paare legal eine Beziehung zu führen, ohne "wirklich" heiraten zu müssen, auf der anderen aber ein Deckmantel für Prostitution und die sexuelle Ausnutzung von Frauen. Der Film verzichtet erfrischenderweise vollständig auf Off-Komentare, der Zuschauer muss sich also aus den gezeigten Interviews selbst ein Gesamtbild formen. Durch diesen Stil steht nicht nur das Thema im Mittelpunkt, sondern auch die interviewten Iranerinnen und Iraner, die alle unterschiedliche Erfahrungen mit der Zeitehe gemacht haben. Manchmal hätte ich mir dann aber doch noch ein paar allgemeine Informationen zur Gesetzeslage im Iran gewünscht, um das Gezeigte und Erzählte besser einordnen zu könne, doch insgesamt eine empfehlenswerte Dokumentation.


The Master (2012)

Philip Seymour Hoffman (2011)
Freddie Quell (Joaquin Phoenix) kehrt traumatisiert aus dem Zweiten Weltkrieg zurück und versucht, wieder in der realen Welt Fuß zu fassen. Doch sein Alkoholismus und seine häufigen Gewaltausbrüche machen ein normales Leben für Freddie unmöglich. Da trifft er durch einen Zufall auf die Sekte The Cause unter dem charismatischen Führer Lancaster Dodd (Philip Seymour Hoffman).und schließt sich ihr an...

Paul Thomas Anderson hat mit The Master keinen besonders zugänglichen Film abgeliefert. Denn der Plot steht hier keineswegs im Mittelpunkt, stattdessen liefert Anderson hier vor allem eine Charakterstudie ab über zwei Männern, die unterschiedlicher nicht sein könnten und doch in ein seltsames Abhängigkeitsverhältnis geraten. Ein Film mit vielen Leerstellen, die das Publikum selbst füllen muss und deshalb bestimmt nichts für jeden Geschmack. Aber alleine schon wegen seiner wunderschönen Bilder von Kameramann Mihai Mălaimare Jr.und den großartigen schauspielerischen Leistungen von allen Beteiligten ist The Master unbedingt sehenswert.

BluRay und DVD von The Master erscheinen am 26. Juli 2013.


Tiger & Dragon (2000)

Regisseur Ang Lee (2009)
China 1779. Schwertmeister Li Mu Bai (Chow Yun-Fat) hat beschlossen, nie wieder zu kämpfen. Als jedoch sein Schwert von einer talentierten jungen Diebin (Zhang Ziyi) gestohlen wird und Mu Bai ihr großes Talent erkennt, versucht er, ihr Lehrer zu werden, damit sie die nötige Disziplin erlernt, um ihre Fähigkeiten zu perfektionieren. Doch bald stellt sich heraus, dass das rebellische Mädchen mit der berüchtigten Jadefuchs (Cheng Pei-pei) zusammenarbeitet, die einst Mu Bais Meister ermordete...

Man sollte schon wissen, worauf man sich einlässt, wenn man diesen Film des amerikanisch-taiwanesischen Regisseurs Ang Lee in den Player legt. Denn Tiger & Dragon gehört zum Genre der Wuxia-Filme, weshalb die Hauptfiguren nicht nur ausgezeichnete Schwertkämpfer sind, sondern auch übernatürliche Fähigkeiten besitzen. Am auffälligsten ist hierbei das hohe Springen und Fliegen, das zu Beginn schon etwas gewöhnungsbedürftig ist, vor allem, da man an den Bewegungen der Schauspieler ziemlich deutlich merkt, dass diese an Kabeln hängen. Doch nach ein bisschen Eingewöhnung macht dieser Film sehr viel Spaß, was vor allem an den herausragend choreographierten Kampfszenen liegt. Doch auch die Protagonisten wachsen einem mit der Zeit deutlich ans Herz, wodurch das tragische Ende umso emotionaler wirken kann. Ein schöner Film, der Lust darauf macht, dieses Genre noch näher zu erkunden.

3Sat zeigt Tiger & Dragon am Sonntag, den 21. Juli 2013 um 20:15 Uhr.



Das Foto von Ben Kingsley stammt von Wikipedia-Nutzer Towpilot. Urheber des Fotos von Philip Seymour Hoffman ist Georges Biard. Beide stehen unter der Creative-Commons Lizenz Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 3.0 Unported (CC BY-SA 3.0).
Das Foto von Ang Lee stammt von Nicolas Genin und steht unter der Creative-Commons-Lizenz Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 2.0 US-amerikanisch (nicht portiert) (CC BY-SA 2.0) .

Mittwoch, 17. Juli 2013

Werkschau: Die Filme von Stanley Kubrick (Teil 2)

Aufgrund meiner Master-Arbeit hatte ich in den letzten Monaten leider keine Zeit, mich um meinen Blog zu kümmern. Jetzt ist diese Hürde jedoch überwunden und daher gibt es heute endlich die zweite Hälfte der Werkschau zu den Filmen von Stanley Kubrick.

➡ Werkschau: Die Filme von Stanley Kubrick (Teil 1)

2001: Odyssee im Weltraum (1968)

Eine Gruppe von Vormenschen lebt in der Nähe eines Wasserloches. Sie ernähren sich rein vegetarisch und leben in Frieden, bis eines Tages einer von ihnen eine folgenreiche Entdeckung macht....
Ein paar Millionen Jahre später reist Dr. Heywood Floyd (William Sylvester) mit einem Raumschiff zum Mond. Nach offiziellen Berichten ist eine Mondkolonie unter Quarantäne gesetzt worden, nachdem dort eine ansteckende Krankheit ausgebrochen ist. Was wirklich auf dem Mond geschehen ist, unterliegt strengster Geheimhaltung...
Das Raumschiff Discovery macht sich einige Monate nach den Ereignissen auf dem Erdtrabanten auf eine geheimen Mission zum Jupiter. Die Astronauten David Bowman (Keir Dullea) und Frank Poole (Gary Lockwood) wissen nichts über den Grund ihrer Reise und sehen sich bald mit einer Fehlfunktion ihres Bordcomputers HAL 9000 konfrontiert...

2001: A Space Odyssey gilt als einer der besten Science-Fiction-Filme aller Zeiten und ist gleichzeitig einer der ungewöhnlichsten. Ein großer Teil des Films kommt völlig ohne Dialoge aus, im Vordergrund steht vor allem ein symbolträchtiges Zusammenspiel von beeindruckenden Bildern und klassischer Musik. Es gibt nur wenig Handlung und doch unterliegt dem Film bis zum Schluss eine unvergleichliche Spannung, da Kubrick sich strikt weigert, das Geheimnis, das alle drei Geschichten verbindet, erschöpfend zu erklären. Die Frage, ob wir alleine im Weltall sind, wird deutlich verneint und dennoch gibt es in diesem Film keinen einzigen Außerirdischen zu sehen. Lediglich im letzten Viertel nehmen die Abstraktionen und die Symbolik ein wenig Überhand, aber insgesamt ist 2001 ein betörendes und ohne Frage Kubricks künstlerisch anspruchsvollstes Werk.


Uhrwerk Orange (1971)

Malcolm McDowell (2011)
London in einer nahen Zukunft. Der jugendliche Alex (Malcolm McDowell) und seine Droogs verbringen ihre Zeit mit Drogen und Gewalt. Sie prügeln sich mit verfeindeten Gangs, schlagen einen Obdachlosen zusammen und zwingen einen Schriftsteller bei der Vergewaltigung seiner Frau zuzuschauen. Eines Tages landet Alex jedoch durch den Verrat seiner Freunde wegen Mordes im Gefängnis und hört dort von einer neuartigen Therapie, die es ihm ermöglichen könnte, schon bald wieder ein ‚freier‘ Mensch zu sein...

Filme mit gewalttätigen Protagonisten müssen sich häufig den Vorwurf gefallen lassen, revisionistische Standpunkte zu vertreten, indem sie Gewalt als ein Mittel darstellen, das notwendig ist, um gegen das Böse zu siegen. A Clockwork Orange hingegen zeigt mit Alex einen Menschen, der selbst das Böse zu repräsentieren scheint: Seine Gewalt ist vollkommen zwecklos, sie dient lediglich seiner eigenen Belustigung in einer Zukunft, die durch Hoffnungslosigkeit und Tristesse geprägt ist. Es wird dem Zuschauer unmöglich gemacht, Alex' Handeln in irgendeiner Weise zu rechtfertigen und dennoch ist uns dieser Protagonist durch seine Intelligenz und seine Liebe zu Klassischer Musik seltsam sympathisch. Die fortlaufende Handlung vergrößert dieses Dilemma noch weiter: Denn so grausam Alex' Taten auch sind, erweisen sie sich bald als das geringere Übel zu einer Form der Konditionierung, die an Unmenschlichkeit kaum zu überbieten ist.
Eine unbequeme Satire, die konsequent auf den moralischen Zeigefinger verzichtet und den Zuschauer zwingt, sich seine eigenen Gedanken zu machen. Unterstützt durch großartige elektronische Musik, ein stilvolles Bühnenbild und die gewohnt beeindruckende Kameraarbeit gelingt Kubrick mit Uhrwerk Orange ein Meisterwerk der Filmgeschichte.


Barry Lyndon (1975)

Irland im 18. Jahrundert. Der Landadelige Redmond Barry (Ryan O'Neal) gewinnt ein Duell gegen einen britischen Offizier und muss flüchten, um den strafrechtlichen Konsequenzen zu entgehen. Es beginnt eine Reise durch Europa, bei der Barry im Siebenjährigen Krieg dient, als Spion für die Preußische Armee arbeitet, der gute Freund eines adeligen Falschspielers wird und schließlich die schöne und wohlhabende Lady Lyndon heiratet. Barry scheint es geschafft zu haben, doch wer hoch aufsteigt, der kann auch tief fallen...

Nach zwei Werken, die sich mit der Zukunft beschäftigten entschied sich Kubrick, eine Reise in die Vergangenheit anzutreten und drehte so seinen ersten Historienfilm seit Spartacus. Barry Lyndon ist vor allem durch seine Bilder berühmt geworden. Denn nicht nur durch Musik, Kostüme und Schauplätze lässt Kubrick das 18. Jahrhundert wiederauferstehen, auch die Bildkompositionen werden dem Thema gerecht, da sie durch Gemälde aus dieser Epoche beeinflusst sind. So ist der Film insgesamt ein ästhetisch sehr reizvolles Filmerlebnis. Leider wird die erzählte Geschichte hierbei fast zur Nebensache. Wenn auch einige Szenen eine emotionale hohe Intensität hervorbringen können, wird insgesamt beinahe völlig auf das Aufbauen von Spannung verzichtet, was zusammen mit der dreistündigen Laufzeit die Geduld des Zuschauers doch ziemlich stark in Anspruch nimmt.


Shining (1980)

Der erfolglose Autor Jack Torrance (Jack Nicholson) bekommt eine Tätigkeit als Hausmeister in einem Hotel in den Bergen angeboten. Über die Wintermonate ist das Hotel geschlossen und seine Aufgabe ist es, lediglich darauf zu achten, dass die Heizungen nicht ausfallen. Jack nimmt an und zieht mit seiner Familie ins Overlook-Hotel. Doch die Einsamkeit an dem abgelegenen Ort ist nicht jedermanns Sache: Schon etwa zehn Jahre zuvor hatte ein Hausmeister in dem Hotel seine Familie mit einer Axt erschlagen...

Stanley Kubricks erster und einziger Ausflug in das Horror-Genre entfernt sich relativ weit von Stephen Kings Buchvorlage, kann aber dennoch überzeugen. Es ist beeindruckend, wie Kubrick es schafft, mit nur wenig Gewaltdarstellungen und dem Verzicht auf das für das Genre so typische Spiel mit der Dunkelheit konstant eine bedrohliche Atmosphäre zu halten. Die berühmten Steadicam-Fahrten durch die menschenleeren Flure des Hotels (das freischwebende Kamerasystem war erst einige Jahre zuvor von Garret Brown entwickelt worden) sind hierfür ebenso maßgeblich wie die schauderhafte elektronische Filmmmusik von Wendy Carlos, die bereits bei Uhrwerk Orange mit Kubrick zusammengearbeitet hatte. Aber auch aus den Schauspielern holte Kubrick alles heraus, was in ihnen steckte: Selten kann man eine so überzeugende Darstellung von hysterischer Panik auf dem Bildschirm betrachten, wie sie Shelley Duvall als Jacks Frau Wendy hier abliefert. Ein weiteres Meisterwek, dessen Bilder, wie die geisterhaften Zwillinge und die aus einem Fahrstuhl kommende Welle von Blut, in die Filmgeschichte eingegangen sind. Und schon wie in 2001 bleibt vieles in diesem Film unerklärt. Sowohl der Monolith als auch das Overlook-Hotel sind bewusste Leerstellen, die der Zuschauer mit seinen eigenen Interpretationen füllen muss.


Full Metal Jacket (1987)

Matthew Modine (2008)
'Private Joker' (Matthew Modine) hat sich entschieden, ein Marine zu werden und muss auf Parris Island die unmenschliche Ausbildung des Drill-Seargents Hartman (R. Lee Ermey) über sich ergehen lassen. Während Joker bald zum Gruppenführer ernannt wird, bricht der übergewichtige Private Pyle (Vincent D'Onofrio) unter der psychischen Belastung des Drills zusammen. Als Joker schließlich nach Vietnam geschickt wird, ist er hin- und hergerissen zwischen seiner kritischen Einstellung gegenüber dem Krieg und seiner Freude darüber, endlich kämpfen zu dürfen...

Nachdem Wege zum Ruhm ein deutlicher Anti-Kriegsfilm war, hatte Kubrick den Wunsch, einen weiteren Film über dieses Thema zu machen, der sich jedoch eines moralischen Urteils über die gezeigten Geschehnisse enthält und Ausbildung und Krieg so zeigt, wie sie tatsächlich sind. Im Mittelpunkt steht hierbei die innere Entwicklung des Protagonisten Joker, der zu einem Killer ausgebildet wurde, und dennoch versucht, sich seine Menschlichkeit zu bewahren. Durch das hervorragende Set-Design, die intensiven Steadicam-Fahrten, tolle Schauspieler und den Verzicht auf den moralischen Zeigefinger gelingt Kubrick einer der besten Kriegsfilme aller Zeiten.


Eyes Wide Shut (1999)

Der erfolgreiche New Yorker Arzt Bill Harford (Tom Cruise) und seine Frau Alice (Nicole Kidman) haben einen Streit, bei dem Alice Bill eröffnet, in einem gemeinsamen Urlaub mit dem Gedanken gespielt zu haben, fremdzugehen. Bill ist erschüttert, wird dann aber zu einem Hausbesuch gerufen, da einer seiner langjährigen Patienten gestorben ist. Es folgt eine traumhafte nächtliche Odyssee durch New York, in der sich Bill viele Möglichkeiten zu bieten scheinen, seinerseits seine erotischen Phantasien auszuleben...

Passiert das alles wirklich, was Kubrick uns in diesem Film zeigt, oder entspringen Bills nächtliche Erlebnisse lediglich seiner Fantasie? Eine eindeutige Antwort auf diese Frage gibt es nicht und für den Genuss des Films ist sie auch nicht besonders wichtig. Die Verfilmung der Traumnovelle von Arthur Schnitzler hält sich trotz der Verlegung der Handlung vom Wien des beginnenden zum New York des ausgehenden 20. Jahrhunderts relativ nah an ihre Vorlage. Dies führt vielleicht auch dazu, dass der Film ein wenig altmodisch daherkommt und deshalb von vielen Kritikern als eines von Kubricks weniger gelungenen Werken gesehen wird. Dennoch ist Eyes Wide Shut ein interessanter, spannender und auch stellenweise recht humorvoller Film über die sexuellen Obsessionen seiner Protagonisten und ein würdiger Abschluss für das Lebenswerk Kubricks, der kurz nach der Fertigstellung der finalen Schnittfassung im Alter von 70 Jahren verstarb.


Die Filme von Stanley Kubrick wurden zur Zeit ihrer Veröffentlichung nicht immer wohlwollend von Presse und Publikum aufgenommen. Rückblickend lässt sich jedoch erkennen, dass es sich bei Kubrick um einen der wichtigsten Filmemacher des 20. Jahrhunderts handelt. Kaum ein anderer Regisseur hat mit so vielen unterschiedlichen Genres gearbeitet und dabei Werke geschaffen, die sich immer deutlich von der Masse abhoben, ohne je unzugänglich zu werden. Und auch wenn mir nicht jeder Film von Stanley Kubrick gleich gut gefallen hat, sind sie doch alle äußerst sehenswert und sollten von keinem Filmfan links liegen gelassen werden.

Literaturtipp:
Georg Seeßlen / Fernand Jung: Stanley Kubrick und seine Filme, Schüren-Verlag 2008

Urheber des Bildes von Malcolm McDowell ist Georges Biard. Urheber des Bildes von Metthew Modine ist David Shankbone. Beide Fotos stehen unter der Creative-Commons-Lizenz Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 3.0 Unported (CC BY-SA 3.0).